Homestay bei den Mapuche

Homestay bei den Mapuche
Fernbus Bariloche nach Temuco
Fernbus Bariloche nach Temuco

Die Reise mit dem Fernbus von Bariloche nach Temuco gestaltet sich als sehr angenehm und vergeht dementsprechend schnell. Mitternacht erreichen wir Temuco in Chile.

Ein Mapuche scheint uns gleich zu erkennen und kommt zielgerichtet auf uns zu. Zaghaft fragt er mich, „ob wir zu Nadia kommen“. Ich freue mich wie verrückt. Nicht nur, weil wir nicht erst noch lange warten müssen. Nein! Ich habe ihn auf Anhieb verstanden. Keine unklaren Wörter, nichts genuscheltes, einfach verständlich – Wunderbar! Zum Beispiel ist „Me llamo …“ hier nicht „Me [sch]amo …“ sondern wie es in meinem Lehrbuch steht „Me [j]amo …“

Zwei Stunden Fahrt sind es jetzt noch bis zur verabredeten Mapuche-Gemeinde am Lago Budi. Als wir ankommen, hat Nadia schon das Feuer in unserer Ruka für uns angemacht. Wir fallen völlig erschöpft in die Betten, welche neben der Feuerstelle aufgestellt sind.

Tag 1 Mapuche-Kultur kennenlernen

Nach dem späten Frühstück entdeckt unser Sohn die Nachbarskinder. Es steht für ihn außer Frage ob er dahin geht oder nicht. Geschwind läuft er über das Feld zu ihnen hin.

Wohnen in einer Ruka bei den Mapuche
Wohnen in einer Ruka bei den Mapuche

Derweilen genießen wir den Ausblick von unserer Ruka auf den Budisee und fühlen uns leicht heimisch. Von einem Karren, vor den zwei Ochsen gespannt sind, werden wir am frühen Nachmittag ins Ortzentrum von Llagepudi gebracht. Der Ortskern besteht aus einem Restaurant und einem Kulturzentrum, einer Ruka, die von der Gemeinde für Feste und Veranstaltungen genutzt wird. Dort erfahren wir was die Mapuche-Kultur ausmacht.

Auf einen Dolmetscher hatten wir vor Antritt der Reise bewusst verzichtet, da wir uns das Homestay-Feeling bewahren wollen. Hier im Kulturzentrum merke ich jedoch deutlich meine Grenzen. Das Wesentliche, so glaube ich zumindest, habe ich verstanden. Die Mapuche haben den Ehrgeiz, so erfahren wir später, ihre Gastfreundschaft wie in einem Hotel zu bieten. Dementsprechend wird uns ein Dreigang-Menü aufgefahren. Unsere Vorlieben hatten sie im Vorab schon abgefragt. Zu der leckeren Gemüsesuppe gibt es „das beste Brot der Welt“ so unser Sohn. Zum Hauptgang gibt es ein leckeres Gericht mit Quinoa und Gemüse. Und zum Dessert gibt es Birnen aus eigener Ernte. Das meiste, was wir hier verzehren ist aus eigenem Anbau der Gemeindemitglieder.

Typisch bei den Mapuche; Gerichte mit Quinoa
Typisch bei den Mapuche; Gerichte mit Quinoa

Später kommt Nadia mit Schafwolle zur Ruka und zeigt uns, wie die Mapuche ihr Garn herstellen. Dabei erfahren wir auch wie sie mit ganz natürlichen Mitteln das Garn im Anschluss färben. So leicht, wie die Herstellung bei ihr aussieht, geht das gar nicht. Wir versuchen uns alle drei daran. Mein Mann stellt sich wohl am geschicktesten an. Für das Weben wiederum kann sie mich am meisten begeistern. Abends fühlen wir uns dann endgültig zu Hause. Nachdem die Jungs das Feuer entfacht haben, setzen wir uns gemütlich mit Tee und den in Puerto Matryn erworbenen UNO-Karten darum.

Tag 2 Kochen mit den Mapuche

Für heute sind wir zum Kochen verabredet. Dafür werden wir erstmal eingekleidet. Das ist nicht nur für meinen Mann und mich interessant, auch unser Großer hat Spaß daran zu helfen. Das Baby gluckst fröhlich im Kinderwagen. Zu den Brötchen aus Kartoffelteig gibt es einen typischen Eintopf der Mapuche (kollof en mapudungun) aus Meeresalgen (cochayuyo), Kartoffeln, Möhren und Zwiebeln.

Kochen bei den Mapuche
Kochen bei den Mapuche

Die Zubereitung geht sehr einfach und relativ schnell. Doch ich muss gestehen, dass diese Meeresalgen nicht meins sind. Bereits der Geruch beim Kochen erinnert mich an Süß-Sauer – Innereien. Das steigert meine Hemmungen beim Essen. Meinem Mann dagegen schmeckt es gut, sodass sein Teller schließlich lehr ist. Mir ist es ein bißchen peinlich, dass ich das „comida típica“ verschmähe. Also gebe ich meinem Mann schnell noch was von meinem Teller, damit wir es auf die Menge schieben können, dass etwas übrig bleibt. Heute wird unser Großer zum letzten Mal als fünfjähriger Junge einschlafen.

Tag 3 Sechster Geburtstag mit den Mapuche

Nadia weckt uns mit dem Frühstück. Aus vollem Halse grölen wir ein Geburtstagslied für unseren Sohn. Ich bin ein bisschen gerührt, weil mein Sohn nun endgültig kein kleiner Junge mehr ist. Schnell drapieren wir die in Bariloche gekauften Geburtstagsgeschenke auf dem Frühstückstisch.

Die Kriterien beim Besorgen der Geschenke haben wir ganz gut eingehalten. Teuer sollte es nicht sein, damit wir bei Verlust nicht all zu große Reue empfinden. Billig fabriziert sollte es aber auch nicht sein, damit es keine Tränen gibt, weil es gerade 14 Tage gehalten hat. Zudem sollte es nicht irgendwas sein, sondern etwas was er braucht und worüber er sich noch dazu freut. Wichtiges Kriterium war, dass es nicht groß sein durfte, damit es Gepäckkonform ist.

Die Augen unseres Großen leuchten als er die Taucherbrille von Cars(R), den VW Microbus(R) und die Dinosaurier Minikollektion mit T-Shirt aus dem Museum in Bariloche auspackt.

Heute werden wir in die Heilkunst der Mapuche eingeweiht. Im Medical Centro bekommen wir von Elizabeth erklärt, dass der „Machi“ für die Heilung von Krankheiten zuständig ist. Er stellt nicht nur die Diagnose sondern auch die Medizin her. Wir werden in die Welt der Heilkräuter mitgenommen. Übrigens auch eine hervorragende Kulisse für die kleinen Dinosaurier. Wir sind begeistert und pflanzen schon in Gedanken diese Sträucher und Pflanzen in unseren Garten. Wir tauschen den Kontakt aus, weil wir sehr gern den Katalog der Naturheilkunde der Mapuche haben möchten.

Abendunterhaltung in unserer Ruka am Feuer
Abendunterhaltung in unserer Ruka am Feuer

Den restlichen Tag verbringen wir mit essen, schlafen, spielen und malen. Zum Abendessen gibt es wieder ein Dreigang-Menü mit frischem Fruchtsmoothie. Natürlich lassen wir auch den Geburtstag am Feuer mit Tee und UNO ausklingen. Zur Feier des Tages und zur Freude unseres Sohnes gibt es Chips dazu.

Tag 4 Bootsausflug um die Isla Cueva del Zorro

Nach dem Frühstück laufen wir mit Nadia über den Acker, ein Feld entlang der Weide zum Lago Budi, wo ihre Cousine bereits mit einem Paddelboot auf uns wartet. Wir schlüpfen alle in unsere One-Sice-Rettungswesten und klettern über die Grasnarben in das Boot. Auf geht’s! Während wir mit dem Boot Kurs auf die Isla Cueva del Zorro nehmen, bietet mein Mann als echter Gentleman ihr an, das Ruder zu übernehmen, da sie angestrengt wirkt. Sehr gern nimmt sie offensichtlich das Angebot an. Doch auch er kämpft mit den starken Wellen, die mit dem Boot nur zu gern spielen, es drehen, es nah an die Felsen im Wasser treiben. Nach einer Weile fragt sie, wieviel Zeit wir haben. Als wir die Hälfte der Insel umrundet haben, wechseln die Beiden wieder ihre Sitzplätze. In gleichmäßigen Zügigen geht es weiter um die Heimat der vielen verschieden Vogelarten. So hilflos war die Cousine also gar nicht.

Umrundung der Isla Cueva del Zorro
Umrundung der Isla Cueva del Zorro

Nun kann mein Mann auch am Birdwatching teilnehmen, von dem er bisher durch seine Bemühungen, das Boot voran zu bringen, abgelenkt war. Als wir schließlich wieder das Land erreichen bin ich froh, dass wir die Kelle doch nicht zum ausschöpfen benutzen mussten, trotz dass das Wasser sich inzwischen im ganzen Boot verteilt hat. Wir schlendern zur Ruka zurück durch die Wiese und das Feld vorbei an reifen köstlichen Brombeeren. Dort nutzen wir den restlichen Nachmittag für einen kleinen Sonnenbrand, Spielen mit dem neuen Spielzeug, Weben, Urinstinkte am Feuer und Kartenspiele. Packen müssen wir diesmal nicht viel vor der Abreise, da wir nur das notwendigste aus den Taschen geholt haben. Durch das offene Feuer in unserer Ruka riecht natürlich alles stark nach dem verbrannten Eukalyptusholz.

Tag 5 Abschied von der Mapuche-Gemeinde

Unsere Zeit mit der Mapuche-Gemeinde ist um. Doch bevor wir uns verabschieden bitte ich Nadia noch mir ihren Garten zu zeigen. Sie hat zwei. Einer für die unempfindlichen Pflanzen wie Kartoffeln, Mais, Quinoa, Bohnen und Kürbis und einer in dem sich auch das Gewächshaus befindet, bepflanzt mit Kräutern, Tomaten, Gurken, Physalis, … Der große Garten ist wie ein Acker angelegt, übersichtlich mit geraden Reihen, auf dem in jeder Reihe etwas anderes gepflanzt ist. Der kleine Garten sieht auf den ersten Blick wild und unwillkürlich bepflanzt aus. Doch alles hat sein System. Von den dicken Physalissträuchern gibt Nadia mir für unseren Weg zwei Hände voll mit. Dann heißt es schließlich Abschied nehmen. „Pewkayal“ lernen wir noch von Luis.

Auf der Fahrt zum Busbahnhof bemerken wir unseren ersten Verlust. Das nach langer Suche in Bariloche ergatterte Spucklätzchen für das Baby haben wir über dem Rangerzaun vor der Ruka hängen lassen. Zum Umkehren ist es zu spät. …

Published by Emily Hillig-Wolf

12 comments on “Homestay bei den Mapuche”

  1. Danke für den tollen Bericht. Diesmal zum Nachmittag,was sicher auch der Zeitverschiebung geschuldet ist. Schöne Abwechslung bei dem kalten Osterwetter.

  2. Juhuuu ihr Vier, du sagst ihr ändert bald die Sprache. Welches Land/Kontinent kommt denn als nächstes? Auch von mir happy easter Grüße aus der Uckermark..
    P.s. Alles Gute nachträglich an meinen Kumpel ;). Eine schöne Zeit weiterhin..

    1. Nach den Galapagosinseln fliegen wir nach Neuseeland. Dein Kumpel hat sich über deine Grüße gefreut und grüßt dich zurück! :-*

    1. Ja, es riecht nach Eukalypthus, aber eben mit einer verbrannten Note. So nicht schlecht, aber wenn alles danach riecht, nicht so angenehm.

  3. Hallo Emily,
    Kannst Du mir verraten wie Du an den Homestay gekommen bist? Sind im Dez für 2 Monate in Chile und Argentinien und würden das super gern auch mit unseren 2 Mädels machen.
    Danke Dir!
    Gruss Marlen

    1. Hallo Marlen,

      Danke für Deine Nachfrage und das damit gezeigte Interesse an unserem Blog. Sorry, dass es immer etwas dauert bis ich antworte; durch unsere Vorliebe zum freien Campen in der Natur, hilft uns oft unsere SIM-Karte auch nicht weiter.
      Ich selbst habe sehr lange im Internet gesucht und schließlich einen Veranstalter gefunden. Nun ist die Frage nach Deinen/ Euren Spanischkenntnissen. Die Mapuche sprechen nur Spanisch. Über den Veranstalter (stelle ich gern den Kontakt her), habt Ihr die Möglichkeit einen Dolmetscher an Eurer Seite zu haben und im Vorab einen festen Ablauf im Vorab zu organisieren. Ich habe aber nun auch Kontakt zu einer Mapuche, sodass ich auch dahin gern vermittle.

      Viele liebe Grüße
      Emily

  4. Hallo Emily,
    könntest Du auch mir den Kontakt bezüglich dem Mapuche Homestay herstellen? Wir sind demnächst mit unseren 3 Kindern für längere Zeit in Chile unterwegs und würden das ebenfalls gerne machen.
    Herzlichen Dank und viele Grüße
    Sandra

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