Die Remise haben wir für 4:15 Uhr bestellt. Es sind nur fünf Minuten mit dem Auto bis zur Bushaltestelle. Um diese Uhrzeit aber zu nervenaufreibend mit dem müden Kind die Strecke steil bergab zu Fuß zu bezwingen.
Seit um vier stehen wir nun hier und warten mit unseren Taschen in der Kälte vor der Eingangstür der Herberge. Normalerweise stören uns zehn Minuten Verspätung lange noch nicht. Aber 4:27 Uhr werden wir sehr nervös, da wir die Zuverlässigkeit in Argentinien noch nicht so recht einschätzen können.
Erst gestern hatte ich die Diskussion mit einer Einheimischen über Uhrzeiten. Ich erklärte ihr, dass ein Deutscher eher 14:30 Uhr am Treffpunkt wäre, wenn man sich für 15:00 Uhr zum Segeln verabredet hat. Sie hingegen sagte mir lachend darauf, dass hier 15:00 Uhr die Angabe der Pufferzeit ist und es somit erst 16:00 Uhr los geht. Ehrlich gesagt, würde ich mich dennoch jedesmal vorher vergewissern.
Wir entscheiden uns loszulaufen. Das große Kind muss sich heulend seinem Schicksal ergeben. Mein Mann beginnt schnaufend beide Rucksäcke zu schleppen als uns schließlich doch unser Taxi entgegen kommt. Total verschlafen und völlig orientierungslos steht er neben seinem Auto und hält Maul-Affen-Pfeil, während wir unser Gepäck in sein Taxi schleudern. In einer Seelenruhe fährt er zum Busbahnhof. Der Bus steht schon da. Der Fahrer lässt schon die ersten Passagiere an Bord.
Trotz des kurzzeitig erhöhten Adrenalinspiegels schlafen wir schnell ein. Das Baby hat in seiner Babyschale ohnehin nichts von der Aufregung bemerkt und der Große hat seinen heiligen „Eli“ (Kuscheltier), der ihm schnell über den morgendlichen Kummer tröstet.
Nach ungefähr zehn Stunden Busfahrt über die Insel Feuerland, durch Chile und Südpatagonien, mit einem Zwischenstopp in Rio Grande erreichen wir mitten in der Nacht El Calafate.
Wieder rollen dicke Tränen wegen der Schlafstörung. Schnell gelangen wir auch zur nächsten Herberge. Und genauso schnell fallen wir in unsere Betten im Sechs-Bett-Zimmer. Wir stören niemanden, denn die anderen kommen auch gerade erst vom Festival zurück.
In El Calafate findet jedes Jahr um diese Zeit das National Lake Festival statt. Es treten eine Woche lang verschiedene Bands auf und in der Stadt sind die Touristen los.
Tag 1 El Calafate zu Fuß
Nachdem wir schön ausgeschlafen haben genehmigen wir uns ein Frühstück beim Bäcker an der Ecke „Don Luis“. Alles duftet und besticht die Augen, sodass wir uns schwer entscheiden können, was wir essen. Wir beschließen nach dem Essen: „Backen können Die auf jeden Fall!“ Als nächstes ist Spielen auf dem Spielplatz angesagt. Schnell findet unser Sohn wieder den Anschluss und spielt mit den anderen Kindern Piraten. Wir wollen aber auch noch etwas vom Ort sehen. Deshalb besuchen wir noch das Reserva Ecológica Municipal Laguna Nimez, ein Vogelschutzgebiet.
Doch die Flamingos treffen wir nicht mehr an, da sie bereits in den Norden Argentiniens geflogen sind. Dafür finden wir essbare Beeren, die wie Blaubeeren schmecken. Die grauen Wildgänse beeindrucken unser Kind nicht mehr, da er im Sommer täglich welche vor der Haustür sieht. Jedoch die Vorstellung, dass hier Sumpf ist, wirft sehr viele Fragen an uns auf. Auf dem Rückweg wollen wir uns das Festival mal genauer anschauen. Also lassen wir uns auf der Tribüne vor der Bühne nieder. Zufällig spielt eine Band gerade, die unseren Ohren schmeichelt. Das Baby, der Große und ich tanzen ein bisschen, während mein Mann das Geschehen beäugt. Der Hunger treibt uns aber schließlich weiter. In einer kleinen Kneipe probieren wir heute das günstige „Menu del dìa“. Diese Angebote findet man hier sehr häufig. Sie beinhalten meist einen Hauptgang mit Getränk und einem Dessert. Die Müdigkeit steckt noch und wieder in uns. Einig treten wir den Weg zur Herberge an.
Tag 2 Glaciar Perito Moreno
Während mein Mann das Auto vom Flughafen holt, nutzen der Große und ich die Zeit zum Spielen und bloggen. Schließlich geht’s los zum Glaciar Perito Moreno. Atemberaubend! Das Baby genießt diesen Ausflug in der Trage, während wir entlang dem Gletscher wandern und darauf hoffen, das Abbrechen des Eises erleben zu können. Und tatsächlich! Die Geräuschkulisse bietet zwar nicht ganz das Ausmaß was sie versprach als wir den Gletscher noch nicht sahen, aber wir bekommen unsere Show der Natur geboten.
Wieder prasseln 1000 Fragen unseres Sohnes auf uns ein. Wir sind so beeindruckt, dass wir die Zeit vergessen. Der Nationalparkwächter dreht seine Abschlusskontrollrunde und macht uns darauf aufmerksam, dass wir die letzten Besucher sind und nun auch gehen müssen.
Eigentlich hatten wir auf das Hostel im Nationalpark spekuliert, welches in der Karte eingezeichnet ist. Doch die Karte, die wir gestern für 200 Pesos kauften, scheint das Update verpasst zu haben. Das Hostel sieht nicht aus als wäre es erst kürzlich geschlossen worden. Der nächste Ort: El Calafate. Wie die Aussichten da um eine Unterkunft stehen ist uns bekannt. Wir wollen positiv bleiben und lassen unsere Laune von den ersten beiden „Lo siento“s auch nicht umstimmen. Wir versuchen es einfach dort nochmal, wo wir gestern schon waren. Der Typ an der Rezeption lächelt mich an als hätte er gewusst, dass wir wieder kommen und zieht unsere Anmeldung von vorgestern vor und fragt wie das neue Abreisedatum lauten soll. „¡Mañana!“ bin ich mir sicher, auch obwohl zur großen Freude unseres Sohnes morgen Luis Fonsi ft. Daddy Yankee hier in Calafate auftreten soll.
Tag 3 Puerto Natales in Chile
Bis nach Puerto Natales fahren wir 6 Stunden. Das Wetter ist regnerisch mit Nebel. Das Passieren der Chilenischen Grenze dauert etwas länger. Das Baby hat für die „3-Step-Variante“ kein Verständnis. Es schreit und bringt den Zöllner dazu, dass ich mit den Kindern ins Auto zurückkehren kann und mein Mann sich fast ganz vorn in der Reihe anstellen darf. Dadurch sparen wir vermutlich eine Stunde. Nachdem der Zöllner unseren Kofferraum kontrolliert hat, verabschiedet er sich stolz in Deutsch von uns. Stolz auf seine Sprachkenntnisse, die sich vermutlich auf „Auf Wiedersehen“ beschränken. In Puerto Natales klingeln, klopfen und fragen wir an ich weiß nicht wie vielen Herbergen. „High season, Señora!“ Es ist 21:00 Uhr und wir haben alle Möglichkeiten abgeklappert. Das Baby heult und der Große hat die Nase voll, zappelt im Auto hin und her. Am liebsten würde ich mich jetzt neben das Baby setzen und mitmachen. Es gibt keinen Nachbarort, in den man mal eben wechseln könnte. Letzte Chance bietet ein Hotel im Ort. Ich könnte umfallen als die Rezeptionsdame mir den Preis sagt. Offensichtlich sieht sie es mir an und dreht uns ihren Laptop zu, darauf eine Homepage eines Hotelbuchungsportals. Über dieses Portal buchen wir ein Zimmer für dieses Hotel für weniger als die Hälfte des Hauspreises. Sie hat ein Herz für uns und gibt uns als Krönung des Ganzen die Suite.
Tag 4 Nationalpark Torre del Paine
Über Schotterpisten fahren wir in den Nationalpark Torre del Paine. Es ist ein ausgesprochenes Wandergebiet und ohne Vorbereitung und Anmeldung ist es nicht erlaubt das „W“ zu laufen. Für uns steht diese Option sowieso außer Frage, da das große Kind schon nach der ersten halben Stunde rum moosert. Mir gelingt es ihn abzuholen. Ich erzähle ihm von der Märchenwelt, die wir gerade über die Hängebrücke betreten haben, von Hobbits und Waldfeen.
So wird die kleine Wetterstation am Berg zum Haus vom Berggeist, ein hervorstehender Fels zur Burg von Prinz John und der Baum davor zum Baumhaus von Robin Hood. Seine Fantasie hat nun freien Lauf und er ist begeistert von dem Stück des Nationalparks welches wir erlaufen. Die teure Bootsfahrt bis vor den Gletscher auf dem Lago Grey sparen wir uns. Den Glacier Grey sehen wir auch vom Berg aus ganz gut. Vor uns schwimmt zudem auch ein großes abgebrochenes Stück, was uns die Größe des Gesamtwerkes erahnen lässt. Der Park ist wunderschön. Gern würden wir mehr Zeit hier verbringen. Wir hatten heute auch ausgesprochenes Glück mit dem Wetter – Sonnenschein mit klarem Himmel. Morgen und an den folgenden Tagen soll es jedoch kalt und regnerisch werden. Wir beschließen den Aufbruch nach El Chaltèn.
Tag 5 El Chaltèn
Wir hatten eine E-Mail an das Hostel unserer Wahl voraus gesandt als das Internet mal ging. Aufgrund von Wartungsarbeiten an den Oberleitungen in Puerto Natales war dies nämlich Mangelware.
Als wir El Chaltèn erreichen, bietet sich uns ein gemütlicher Ort mitten in der Wüste zwischen den Bergen. Ein „Private room“ hat er nicht für uns, aber ein „Dormbed-Room“ was er für uns privat macht, damit die Kinder ihre Ruhe haben. Und außerdem heiße ich schließlich wie er – Emilio. Heute ist nur noch Essen, Spielen und Schlafen angesagt.
Tag 6 Mount Fitz Roy und das Zauberwasser
Den Mount Fitz Roy bezwingen können wir mit den Kindern wohl nicht, aber sehr nah kommen. Also wandern wir los. Das Baby genießt wieder jeden Schritt in der Trage auf meinem Rücken. Unterwegs treffen wir einen Baumgeist: Der Große klettert in das Innere eines hohlen Baumes und ruft den Geist. Mein Mann schaltet blitzschnell und redet durch ein Loch der geschlossenen Seite des Baumstammes als Berggeist zu ihm. Von dieser Begegnung zehrt das Kind den ganzen Tag. In der Lagune Capri können wir unsere Flasche mit „Zauberwasser“ abfüllen, welches man ausdrücklich trinken kann. Das hilft uns den Abstieg gut zu überwinden. Zuvor machen wir hier noch ein Picknick. Auf dem Heimweg durch den Ort finden wir in einem kleinen Kiosco auch noch eine Broschüre über die ansässigen Tiere Patagoniens. Die gute Laune unseres Sohnes am Abend ist also auch gesichert. Ewig schaut er sich das Heft an und erläutert uns was er sieht bis er einschläft.
Sehr schöne Lektüre zum Sonntagsfrühstück. Endlich lasst ihr uns wieder an euern Abenteuern teilhaben.
Ja, das war jetzt wirklich immer kniffelig mit dem Internet. Diese Nacht haben wir bis um 4 Uhr gesessen, dass endlich alles im Netz ist. Dementsprechend sind wir jetzt müde.
Patagonien … scheeeeen
Obwohl bezweifle, dass ihr den Fitz Roy nur wegen der Kinder nicht geschafft hättet 😎
Weiterhin frohen Mut. Zu Hause wird es gerade Frühling 🌞
Ja, da hast du natürlich völlig recht! ☺️ Zugegeben, das ist ein bisschen ungünstig ausgedrückt. Man kann an den Fitz Roy bis ran laufen und schließlich mit Steigeisen erzwingen. Was tatsächlich nicht zu unseren Fertigkeiten gehört. Aber für dich wäre das auf jeden Fall was!
Naja …, da müsste man ein wenig trainieren. Aber ein Ziel ist diese Region auf alle Fälle. Seit ich eine Reportage über den Cero Torre gesehen habe, ist das fest vorgemerkt … 😉
Hallo Abenteurer,
wir hoffen, dass es Euch gut geht.
Auf meiner Reise durchs Leben, mache ich weiter Zwischenstopp in Dohna. Das ist die zweitälteste Stadt von Sachsen (Deutschland, Europa). Hier gibt es unendlich viel zu entdecken. Vor allem kulturell. Frau, Kind, Katze, eine passable Behausung, Ackerland und mein mobiles … (Renault Megan) belasten meinen Kulturbeutel auf zufriedenstellende Art und Weise. Verhindern eine Weiterreise. Schön.
Ich wünsche Euch noch viele tolle Erlebnisse.
LG Zalle
He Zalle,
ich hoffe, dir geht´s nicht so wie deine Zeilen klingen. Aber sicher kann ich nur den Humor nicht erkennen. Liebe Grüße an Dich, Frau, Kind und Katze